„Perspektiven für junge Flüchtlinge“
Neuer Kooperationskreis im Landkreis
„Die Integration junger Flüchtlinge in schulischer, beruflicher und sozialer Hinsicht stellt
eine immense Herausforderung dar, die nicht nur alleine die Jugendhilfe
bewältigen kann“. So eröffnete Kreisjugendamtsleiter Hermann Gabel die 1. Sitzung des neuen
Kooperationskreis mit dem Titel „Perspektiven für junge Flüchtlinge“ im
Landratsamt. Der Kreis wurde auf Initiative des Jugendhilfeausschusses und
Landrat Eberhard Nuß eingerichtet, um Fachleute verschiedener Professionen für
diese Querschnittsausgabe an einen Tisch zu bringen.
Fragen über Fragen um das Thema Flüchtlingsarbeit im Allgemeinen und
Jugendhilfeschnittstellen im Speziellen sind zu klären und praktische Lösungen
in diesem Neuland zwischen den Institutionen zu erarbeiten.
Der Einladung folgten auch ca. 30 Experten von (Berufs-)Schulen, Jugendarbeit,
Betreuungseinrichtungen, Handwerkskammer für Unterfranken (HWK) , Industrie-
und Handelskammer (IHK), Agentur für Arbeit, Jobcenter, Ausländer- und
Asylbehörde, Jugendamt, Kommunalpolitik und Gleichstellungsstelle.
Nach Situationsbeschreibungen aus den verschiedenen Bereichen wurden gemeinsam
Brennpunkte identifiziert und Forderungen für eine bessere Integration von
jungen begleiteten und unbegleiteten Flüchtlingen formuliert.
Sprache als Schlüssel zu Bildung und Integration
So muss unbedingt das Angebot der Alphabetisierungs- und Sprachkurse (auch in die
Landkreisfläche) ausgedehnt werden und dafür Mittel zur Verfügung gestellt
werden, weil Sprache der Schlüssel zu Bildung und somit zur Integration ist. Diese Schlüsselqualifikation ist auch
wichtig, um die Berufsschule zu bewältigen und die Fachsprache in einer Ausbildung zu verstehen.
Viele junge Flüchtlinge kommen aus arabischen Ländern, wo die Schreibrichtung von rechts
nach links und die Schriftzeichen arabisch sind. Die Umgewöhnung auf das
hiesige Sprach- und Schriftsystem erlernen jedoch die meisten jungen Männer und
Frauen recht schnell.
Eine weitere Forderung der schulischen Seite, aber auch der Jugendhilfeträger, die Betreuung,
Wohnen und Erziehung verantworten, ist eine verlässliche Sicherstellung einer
Tagesstruktur. Dazu gehört der Zugang zu Schul- und Berufsschulplätzen (so
genannte Übergangsklassen und BaF-Klassen), die es im Landkreis Würzburg leider
immer noch zu wenig gibt. Hier sind der Freistaat Bayern und die Regierung von
Unterfranken gefordert.
Auch bei Volljährigkeit soziale und schulische Bindungen erhalten
Die Betreuungspflicht des Jugendamtes für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach dem Haager
Minderjährigenschutzabkommen
endet mit der Vollendung des 18. Lebensjahres. Derzeit müssen die jungen
Menschen dann oft aus den stationären Jugendhilfeeinrichtungen in dezentrale Unterkünfte oder
Gemeinschaftsunterkünfte umziehen. Es besteht jedoch die Möglichkeit einer
ambulanten Weiterbetreuung bei vorhandenem Jugendhilfebedarf. Insbesondere
Kreis- und Bezirksrätin Elisabeth Schäfer forderte, dass bei der Verteilung in
Gemeinschaftsunterkünfte durch die Regierung von Unterfranken Rücksicht drauf
genommen wird, dass die jungen Leute regional, ohne Verlust ihrer schulischen
und sozialen Bindungen, die sie aufgebaut haben, untergebracht werden.
Das Resümee der Teilnehmer des ersten interdisziplinären Kooperationskreises war äußerst
positiv, da hier das ganze Spektrum der Institutionen zusammenkommt, die sich
mit der Thematik und Herausforderung beschäftigen. Ein weiteres Treffen wurde
schon für Ende November 2015 vereinbart, um die Auswirkungen der neuesten
Gesetzesänderungen auf die lokale Ebene im Landkreis auszuwerten.
So soll es zeitnah auch zu einer bundesweiten Verteilung der unbegleiteten Minderjährigen
kommen, wie schon bei den Erwachsenen, was sich allerdings wohl erst im
Frühjahr/Frühsommer 2016 auf die zahlenmäßige Entwicklung auswirken wird.
Derzeit 125 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Landkreis Würzburg
Das Jugendamt des Landkreises hat seit November 2014 eine komplett neue Infrastruktur im
Bereich Betreuung und Erziehung gemeinsam mit freien Trägern aufgebaut und
betreut derzeit 125 junge Flüchtlinge – Tendenz: steigend.
Die Ergebnisse des Kooperationskreises „Junge Flüchtlinge“ werden auch in den Entscheidungen des Jugendhilfeausschusses und damit
in der Kreispolitik ihren Niederschlag finden.