Markt Zell am Main

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Abschlussbetrachtung zum Innenentwicklungskonzept

Die Erstellung eines Innenentwicklungskonzepts ist im Frühjahr 2019 auf Anregung von Bürgermeisterin Feuerbach vom Marktgemeinderat beauftragt worden. Mit einer Eröffnungsveranstaltung am 27. Mai 2019 wurden alle interessierten Bürger über die Thematik informiert. Ca. 80 Zeller Bürger nahmen an dieser Veranstaltung teil und konnten ihre Themen und Fragestellungen an Pin-Wänden äußern. Am 14. Oktober 2019 traf sich der Marktgemeinderat zu einer Klausurtagung. In der öffentlichen Abschlussveranstaltung wurden die speziellen Möglichkeiten, aber auch Problemstellungen den interessierten Bürgern vorgestellt. Leider haben an dieser Abschlussveranstaltung nur ca. 30 Personen (incl. Marktgemeinderatsmitglieder) teilgenommen.
 
Ziel einer Innenentwicklung
Ziel der Innenentwicklung ist es, den Flächenverbrauch für Siedlungserweiterungen dadurch zu verringern, dass die Flächenpotenziale im Innenbereich aktiviert werden. Der sparsame Umgang mit der Landschaft und die Konzentration zukünftiger Baumaßnahmen auf den bereits bebauten Ort bringt nicht nur Vorteile für den Naturhaushalt, sondern auch für die Bürger: kurze Wege z. B. zu Kindergarten und Einzelhandel, aber auch in die Landschaft, eine vielfältige, altersgemischte Bewohnerschaft der einzelnen Wohngebiete und nicht zuletzt ein belebter, vielfältiger Ort. Zell a. Main hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stetig weiterentwickelt. Die stadtnahe Lage mit entsprechender ÖPNV-Anbindung, aber auch eine gewachsene attraktive Infrastruktur machen unseren Ort zu einem gefragten Wohnstandort. Die Nachfrage nach Wohnraum ist nach wie vor sehr hoch, der verfügbare Wohnraum entsprechend gering.
 
Warum haben wir ein Innenentwicklungskonzept erarbeitet?
Im laufenden Verfahren zur Änderung des FNP haben sich Einwände hinsichtlich der Ausweisung neuer Baugebiete ergeben. In der Sachdiskussion hierzu wurde u. a. die Meinung vertreten, dass die Gemeinde keine weiteren Baugebiete benötigt. Der mittelfristig benötigte Wohnraum könnte über eine gezielte Innenentwicklung generiert werden.
Das Konzept zur Innenentwicklung wurde an ein Stadtplanungsbüro vergeben, um neben der Prüfung geeigneter Flächen für neue Baugebiete Potenzialflächen in der bereits bebauten Ortslage aufzuspüren und Nutzungsmöglichkeiten für diese Flächen zu finden. Das Konzept setzt sich mit der Frage auseinander, ob der Bedarf nach Wohnraum alleine durch eine Innenentwicklung mit behutsamer Nachverdichtung ohne Einbußen der Wohnqualität gedeckt werden kann. Voraussetzung ist hier aber auch, dass die Grundstückseigentümer mitmachen.
 
Was wurde bereits bei der VU und beim ISEK betrachtet?
Mit der vertiefenden Betrachtung der Innenentwicklungspotenziale sollten die Handlungsfelder und Problemstellungen für die Gemeinde Zell mit den Ortsteilen Mittel- und Unterzell untersucht werden. Hierbei konnte auf bestehende Planungen wie u.a. das ISEK (Integriertes Städtebauliches Entwicklungskonzept, die VU (Vorbereitende Untersuchung für die Sanierungsgebiete 1 „Mittelzell“ und 2 „ehem. Kloster Unterzell und Neue Mitte“) sowie ein ILEK (Integriertes Ländliches Entwicklungskonzept) aufgebaut werden. Die Betrachtung der Innenentwicklung wurde bereits im Rahmen der ILE als Projektbaustein Baulandentwicklung im Innenbereich durchgeführt.
 
Welche Ziele sollten in Zell mit dem Innenentwicklungskonzept erreicht werden?
Die stadtnahen Gemeinden im Verdichtungsraum Würzburg sind einerseits mit einer hohen Nachfrage nach Wohnraum konfrontiert, andererseits gibt es trotz vieler Baulücken kaum verfügbare Bauplätze, daneben gibt es auch vereinzelte Leerstände. Die Erfüllung der Vorgaben des Landesentwicklungsprogramms und des Baugesetzbuches gemäß dem Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ zunächst die bestehenden Potenzialflächen in Form von Baulücken, untergenutzten Grundstücken oder Leerständen zu aktivieren, scheitert sehr häufig an der fehlenden Verkaufsbereitschaft der Grundstückseigentümer. Die Gemeinden sehen kaum rechtliche Möglichkeiten, Baulücken in Privateigentum einer Bebauung zuzuführen. Die derzeitigen Bedingungen auf den Finanzmärkten erschweren außerdem eine Aktivierung von Immobilieneigentum, da die Tendenz eher zur Investition in Immobilieneigentum geht, als umgekehrt.
Den Gemeinden bleibt als Maßnahme zur Sicherstellung ihrer Wohnfunktion, d.h. zur Bereitstellung von Angeboten für die ortsansässige Bevölkerung und zur Vermeidung der Abwanderung in andere Gemeinden oft nur die Möglichkeit der Ausweisung neuer Baugebiete und auch hier besteht die Gefahr, dass wiederum Baulücken „produziert“ werden, wenn nicht bei der Baulandausweisung die Gemeinde als Verkäufer eine Baupflicht auferlegt. Neben der damit verbundenen Dynamik im Flächenverbrauch könnte dies auch langfristig die Gefahr der Verödung der Ortskerne und älterer Wohngebiete verstärken.
 
Was wird mit einem Innenentwicklungskonzept erarbeitet und welche Voraussetzungen bestehen bereits?
Ein gesamtörtliches Innentwicklungskonzept ermittelt Potenzialflächen und erarbeitet Konzepte für ausgewählte Potenzialflächen. Ergänzt wird die Maßnahme durch eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit und Beratungsangebote.
Voraussetzung einer ausgewogenen Strategie der Innenentwicklung ist eine Situationsanalyse, die alle Belange der städtebaulichen Entwicklung hinreichend berücksichtigt. Der Markt Zell a. Main hat diesbezüglich bereits einen Rahmenplan im Jahr 2006 erstellt, zwei Sanierungsgebiete (2008 und 2018) mit den vorausgehenden Voruntersuchungen förmlich festgesetzt, ein Quartiersmanagement und diverse Feinuntersuchungen im Altort durchgeführt und das Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzept (ISEK) beschlossen. Alle Maßnahmen sind dazu da, die Siedlungsentwicklung im Ortskern zu lenken und ein breit gefächertes Instrumentarium an Maßnahmen im öffentlichen und privaten Raum zu erhalten. Ziel aller Maßnahmen war es, das Wohnen im Bestand aufzuwerten und so zu privaten Investitionen zu motivieren. Die in den Konzepten enthaltenen Maßnahmen sind teils durchgeführt, teils in Planung. Durch die Festsetzung der beiden Sanierungsgebiete können private Investitionen im Wohnungsbestand öffentlich gefördert werden – im Wesentlichen durch das kommunale Förderprogramm (Höchstförderung 40.000,- €) und mithilfe von Steuerabschreibungen
 
Was wurde mit dem Innenentwicklungskonzept für Zell festgestellt?

  1. Da insbesondere in den Sanierungsgebieten der Anteil der Grundstücke überdurchschnittlich hoch ist, deren Eigentümer das Rentenalter erreicht haben und daher in der Regel nur unwesentlich von Steuerabschreibungen profitieren können, sollte eine Strategie entwickelt werden, wie diese Altersgruppe verstärkt angesprochen werden kann. Diese sollte sich zusammensetzen aus einer intensiveren Vermittlung aller bestehenden Instrumente sowie einem Konzept für mögliche weitere spezifische Förder- und Motivationsmöglichkeiten für Rentnerinnen und Rentner.
  2. Auch außerhalb der Sanierungsgebiete gibt es bereits eine Reihe von Grundstücken mit großen Wohneinheiten in teils stark hängiger Lage, deren Bewohner und Eigentümer betagt sind und grundsätzlich Bedarf an einer Veränderung ihrer Wohnsituation haben (insbesondere im Wohngebiet Scheckert). Für diese Gruppe ist in der Regel ein wesentliches Entscheidungskriterium für die Bereitschaft, diesen Wohnraum an jüngere Altersgruppen weiterzugeben, welche Alternativen in der Gemeinde für das Wohnen im Alter bestehen. Häufig wird dabei die Übersiedlung in eine Seniorenresidenz oder in betreutes Wohnen als ein zu großer Schritt empfunden, insbesondere von jüngeren Senioren. Daher sollte mit Hilfe einer Workshop-Reihe gemeinsam mit dieser Zielgruppe herausgearbeitet werden, welchen Ersatzwohnraum sich insbesondere jüngere Senioren in Zell a. Main wünschen, welche Vorstellungen hinsichtlich des Wohnumfeldes bestehen etc. Die Ergebnisse könnten in die künftige Bauleitplanung einfließen.
  3. Im Gemeindegebiet gibt es zahlreiche Immobilien mit Einliegerwohnungen. Diese stehen häufig leer und stellen somit ungenutztes, meist sofort aktivierbares Wohnraumpotenzial dar. Daher sollte mithilfe einer Kampagne spezifisch für die Aktivierung von Einliegerwohnungen geworben werden.
  4. Insbesondere in den Wohngebieten Eli-Nord und Eli-Süd/Küsterberg besteht eine Reihe von Baulücken, deren Aktivierung derzeit nicht in Sicht ist. Hier sollten die ungenutzten Potenziale durch eine verstärkte Thematisierung weiter in den Fokus gerückt werden. Dazu gehört beispielsweise die Veröffentlichung des Baulückenkatasters und das Angebot einer Baulückenbörse, um Grundstücksangebote und Interessenten niederschwellig und ohne kostentreibende privatwirtschaftliche Vermittlung zusammenzubringen.
  5. Im Rahmen der Erhebung wurden nur relativ wenige Flächen mit Nachverdichtungspotenzial ermittelt, insbesondere aufgrund des meist starken Gefälles der Grundstücke. Diesbezüglich wird daher hier eher ein geringes Potenzial der Schaffung von Wohnraum gesehen. Für die in der Potenzialflächenkartierung dargestellten Flächen mit grundsätzlichem Nachverdichtungspotenzial sollte geprüft werden, inwieweit diese aufgrund weiterer Gegebenheiten hierfür in Frage kommen und ob die betreffenden Bebauungspläne hierfür zu ändern wären. Bei knappem Flächenangebot können generell auch kleine Wohneinheiten in Frage kommen, beispielsweise „Mini-Häuser“ (Tiny Houses) oder „Austragshäuser“ für die jüngere oder ältere Generation.
  6. Für die sehr dicht bebauten Wohnlagen im Ortskern kann auch der umgekehrte Weg zum Ziel führen: Durch eine Auflockerung des Gebäudebestands mehr Wohnqualität herbeizuführen und auf diese Weise das Wohnen im Bestand zu fördern. Derartige Maßnahmen wären im Rahmen der Altortsanierung zu prüfen.
  7. Auf bestehenden Baulückengrundstücken kann auch im Rahmen von Zwischennutzungen Wohnraum geschaffen werden (Mobilheime). Hierfür sollte in der Gemeinde ein positives Klima geschaffen werden, indem Interessenten lösungsorientiert beraten und Grundeigentümer verstärkt motiviert werden. Ziel ist es, solche Zwischennutzungen möglichst hürdenarm und kostengünstig zu ermöglichen.
  8. Neben solchen Maßnahmen der Motivation, Förderung, Vermittlung und Beratung sollten fallweise auch weiterhin die rechtlichen Möglichkeiten geprüft und eingesetzt werden, die der Gemeinde zur Durchsetzung von Entwicklungszielen zur Verfügung stehen, wie z. B. die Sicherung der Bauverpflichtung bei neuen Baugebieten sowie das Vorkaufsrecht auf Grundstücke unter bestimmten Voraussetzungen. Um eine stringente ergänzende Außenentwicklung sicherzustellen, sollte bereits auf der Ebene der Flächennutzungsplanung die Grundstücksverfügbarkeit als Entscheidungskriterium für die Flächenauswahl einbezogen werden.
  9. Durch ein Monitoring der Potenzialflächen und der Einwohnerdichte können Rückschlüsse auf den Erfolg der Innenentwicklungsstrategie gezogen werden. Hierdurch wird ein laufendes Nachjustieren des Wohnungsbedarfs und letztlich des Bedarfs an zusätzlichen Wohnbauflächen der Gemeinde ermöglicht.

 
Aufgrund der oben genannten Ergebnisse zur Innenentwicklung hat der Marktgemeinderat in der Sitzung am 18.02.2020 folgenden Beschluss gefasst:
Das ausgearbeitete „Handlungskonzept zur Aktivierung von Potenzialflächen“ wird als Strategie für die Entwicklung des Marktes Zell a. Main zustimmend zur Kenntnis genommen. Es dient als Grundlage für zukünftige Entscheidungen zur Siedlungsentwicklung. Hierzu sollen nachfolgende weitere Schritte durchgeführt werden:
 
1. Förderung der Innenentwicklung im Wohnungsbestand

  • Erarbeiten und Anwenden einer altersgruppenspezifischen Beratungs- und Förderstrategie
  • Herausarbeiten der Bedürfnisse von hausbesitzenden Seniorinnen und Senioren im Markt. Zell a. Main hinsichtlich der gewünschten Merkmale von Ersatzwohnraum in der Gemeinde als Voraussetzung für eine Weitergabe der Immobilie an jüngere Generationen, beispielsweise mithilfe von Workshops, und Anwenden der Erkenntnisse im Rahmen künftiger Wohnungsbauprojekte sowie im Rahmen der Bauleitplanung
  • Erarbeiten und Durchführen einer Kampagne zur Aktivierung von Einliegerwohnungen

 
2. Aktivierung bestehender Baulücken und Prüfung von Nachverdichtungspotenzialen

  • Veröffentlichen des Baulückenkatasters, Angebot einer Baulückenbörse sowie weitere geeignete Maßnahmen, um die niederschwellige Vermittlung von vorhandenem Baugrund und Kaufinteressenten zu unterstützen
  • Anschreiben der Eigentümer der Baulücken alle 3 – 5 Jahre, um den Fokus auf das große Potenzial ungenutzter Baugrundstücke aufrecht zu erhalten
  • Nähere Prüfung der in der Potenzialflächenkartierung dargestellten Nachverdichtungspotenziale auf Umsetzbarkeit, auch im Hinblick auf eine Realisierung kleiner Wohneinheiten wie Tiny Houses und Austragshäuser für die jüngere oder ältere Generation
  • Beraten von Interessenten von Mobilheimen und Tiny-Häusern und Motivieren von Eigentümern geeigneter Baugrundstücke, um die Zwischennutzung von Baulücken und großen Grundstücken mit Nachverdichtungspotenzial zu fördern
  • Fallweise Prüfung im Rahmen der Altortsanierung, inwieweit eine Auflockerung des Gebäudebestands zur Steigerung von Wohnqualität und somit Weiterentwicklung stagnierender Quartiere beitragen kann

 
3. Anwendung der rechtlichen Möglichkeiten im Bestand

  • Fallweise Anwendung des allgemeinen Vorkaufsrechts, ggf. Erlassen einer Vorkaufsrechtssatzung und Prüfung der rechtlichen Möglichkeiten des BauBG

 
4. Handeln der Gemeinde bei neuen Baugebieten

  • Neue Baugebiete sollen generell unter dem Vorrang der Innenentwicklung: getreu dem Grundsatz Innen vor Außen beschlossen werden.
  • Zur Vermeidung künftiger Baulücken sollen B-Pläne nur noch beschlossen werden, wenn die Grundstücke in gemeindlichem Eigentum liegen oder eine Bauverpflichtung dinglich gesichert ist.
  • Im Falle der Notwendigkeit einer ergänzenden Außenentwicklung soll bereits auf der Ebene der Flächennutzungsplanung die Grundstücksverfügbarkeit als Entscheidungskriterium für die Flächenauswahl einbezogen werden.

 
5. Individuelle Beratung und Förderung, Rückkoppelung

  • Eigentümer/Interessenten sollen weiterhin individuell hinsichtlich möglicher planerischer Lösungen sowie der bestehenden Fördermöglichkeiten beraten werden. Hürden, die sich aus diesen Gesprächen ergeben, sollen zusammengetragen werden, um hieraus Rückschlüsse für die Notwendigkeit einer Anpassung von Förderinstrumenten ziehen zu können.

 
6. Motivation im Rahmen von Öffentlichkeitsarbeit

  • Im Markt Zell umgesetzte gute Beispiele und innovative Lösungen im Rahmen privater und öffentlicher Maßnahmen (Leuchtturmprojekte, z. B. Gasthaus Rose, Kelterhofscheune) sollen verstärkt über Kanäle wie Mitteilungsblatt, Homepage, Main Post, Faltblätter etc. kommuniziert werden, ebenso Projekte mit Vorbildcharakter aus anderen Gemeinden.
  • Über Fachvorträge im Rahmen der kommunalen Allianz, die auch auf die Homepage gestellt werden, sollen beispielhafte Ansätze und Handlungsanleitungen für interessierte Grundeigentümer gegeben werden, beispielsweise für die Wohnraumsanierung und Effizienzsteigerung großer Häuser.

 
7. Monitoring

  • Der Erfolg der Innenentwicklungsstrategie soll regelmäßig festgestellt werden, um hieraus Rückschlüsse für weitere Anstrengungen im Bestand abzuleiten, aber auch für den verbleibenden Wohnungs- und somit Wohnbauflächenbedarf, der sich nicht mittels Innenentwicklung decken lässt. Hierzu soll die Potenzialflächenkartierung regelmäßig aktualisiert werden.

 
Abstimmungsergebnis: 14 : 1